Private Unfallversicherung – was der erweiterte Unfallbegriff taugt
(1771 x gelesen) im VersicherungPrivate Unfallversicherung – was der erweiterte Unfallbegriff taugt
Den nachfolgenden Artikel habe ich bei Pfefferminzia, dem Multimedium für Versicherungsprofis aus Hamburg, entdeckt - veröffentlicht am 24.08.2022 von Lorenz KIein. Ich bedanke mich bei Pfefferminzia den Beitrag inhaltlich verwenden zu dürfen. Der Artikel wurde gekürzt.
Eine private Unfallversicherung ist kein komplexes Produkt. „Sie leistet, wenn nach einem Unfall dauerhafte körperliche Beeinträchtigungen zurückbleiben“, bringt der Bund der Versicherten (BdV) den Sinn und Zweck der Police auf den Punkt. Wird also der Versicherte durch einen Unfall so schwer verletzt, dass er invalide wird, so kann der Betroffene „mit der versicherten Summe aus der Unfallversicherung notwendige Umbaumaßnahmen in der Wohnung oder am Auto durchführen“, erläutern die Verbraucherschützer. Entsprechend stuft der BdV das Produkt als „sinnvoll“ ein, wenngleich eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit Vorrang habe.
Produkt im richtigen Kontext sehen
Und hier fangen oft schon die Missverständnisse an, denn die Unfallversicherung ist eben keine etwas schlanker geratene Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). „Um die Unfallversicherung im Spektrum der Existenzsicherung einzuordnen, muss sie im richtigen Kontext gesehen werden“, betont Andreas Ludwig, Bereichsleiter Rating & Analyse beim Analysehaus Morgen & Morgen. So sei die Unfallpolice weder angetreten, um eine komplette Existenz zu retten, noch, um die Arbeitskraft abzusichern. „Ihr Auftrag ist es“, so Ludwig, „unvorhergesehene Kosten, die durch einen Unfall entstehen, abzufedern“.
Definition Unfallbegriff
So weit, so wichtig. Doch nicht alles, was wie ein Unfall aussieht, ist tatsächlich einer – jedenfalls nicht im Lichte des Versicherers. Es kommt nämlich auf den Unfallbegriff an, wie er in den Versicherungsbedingungen formuliert ist. Demnach ist ein Unfall laut den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) des Versicherungsverbandes GDV definiert als ein „plötzlich von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, welches unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung hervorruft“. Der Unfallbegriff beinhaltet also fünf Merkmale: Plötzlich, von außen, Ereignis, unfreiwillig, Gesundheitsschädigung. Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, so gibt es auch kein Anerkenntnis durch die Versicherung.
Unfall ist nicht gleich Unfall
Würde sich die versicherte Person zum Beispiel bei einem Klimmzug die Muskulatur am Unterarm zerren, so gilt das nicht als klassischer Unfall. Der Grund: Dem Unfall ging eine erhöhte Kraftanstrengung des Körpers voraus, es fehlt hier also die Einwirkung von außen. Nicht jeder Kunde versteht das. „Die Vorstellung eines Versicherungsnehmers, was ein Unfall ist, kann im Fall der Fälle von dem klassischen Unfallbegriff der Versicherer abweichen“, räumt Helmut Wagner, Leiter Unfall Vertrag bei der Haftpflichtkasse, ein. „Ist eine Beeinträchtigung nicht durch den klassischen Unfallbegriff eingetreten, führt das zu Unverständnis und zu Enttäuschung“, so Wagner.
Erweiterung des Unfallbegriffs
Viele Versicherer, so auch die Haftpflichtkasse, sind deshalb dazu übergegangen und haben den Unfallbegriff erweitert, gewissermaßen dehnbarer gestaltet im Sinne des Kunden – was jedem Versicherer freisteht. Als Unfall gilt dann zum Beispiel auch, wenn sich die versicherte Person durch eine erhöhte Kraftanstrengung ein Gelenk an Gliedmaßen oder der Wirbelsäule verrenkt. Beispiel: „Die versicherte Person stützt einen schweren Gegenstand ab und verrenkt sich dabei das Ellenbogengelenk“, wie die SV Sparkassenversicherung Sachsen erläutert.
Helmut Wagner von der Haftpflichtkasse betont, dass der Versicherer aus Darmstadt - beliebtester Produktpartner in dieser Sparte unabhängiger Versicherungsmakler - die Erweiterung des Unfallbegriffs sehr weit fasse. Dazu zählen beispielsweise Eigenbewegungen. Hiermit sind unfallbedingte Verletzungen gemeint, die sich weder aus einem äußeren Einfluss ergeben, noch aus einer besonderen Kraftanstrengung. Beispiel: Beim Aussteigen aus dem Auto knickt der Versicherte mit dem Fuß um. Bei der Haftpflichtkasse sind außerdem noch Vergiftungen durch Gase und Dämpfe, allergische Reaktionen, Impfschäden, Flüssigkeits-, Nahrungsmittel- und Sauerstoffentzug versichert.
Entstehende Kosten abfedern
Andreas Ludwig von Morgen & Morgen erinnert dann auch nochmal, worum es bei der Unfallversicherung im Kern geht: „Sie ist darauf ausgelegt, die im Falle einer Invalidität entstehenden Kosten, beispielsweise im Rahmen von Umbaumaßnahmen, abzufedern oder zu kompensieren.“ Auch in der Übergangszeit, bis beispielsweise die Leistung aus einer BU erfolge, könne es von Vorteil sein, Kapital aus einer Unfallversicherung im Rücken zu haben, sagt Ludwig.
Und da die Unfallversicherung den Invaliditätsgrad in Abhängigkeit zu einer Gliedertaxe stelle und nicht, wie in der BU, die Einschränkung bezogen auf den Beruf die Leistung bestimme, grenze sie sich auch hier ab. „Der Verlust eines Beines würde in der Unfallversicherung, losgelöst vom Beruf, zum Beispiel eine 70-prozentige Invalidität bedeuten. Während die BU eventuell für den klassischen Büroangestellten nicht leistet und dem Dachdecker vielleicht die volle Rente auszahlt.“
Quelle: https://www.pfefferminzia.de/private-unfallversicherung-was-der-erweiterte-unfallbegriff-taugt/